Wir sind nicht allein – Schüler sprechen mit den Landtagsabgeordneten Ayla Cataltepe und Sarah Schweizer

Es war ein tief berührendes Gespräch, das die Landtagsabgeordneten Ayla Cataltepe (Bündnis 90/Die Grünen) und Sarah Schweizer (CDU)  als Vertreterinnen der Regierungskoalition am Freitagnachmittag mit Schülerinnen und Schülern in der Mensa des Schulzentrums Ösch führten. Eine Gruppe von 20 Oberstufenschülern des Erich Kästner Gymnasiums hatte zu einem offenen Austausch über die Situation von Jugendlichen in der Corona-Zeit eingeladen. Schulleiter Stephan Arnold zeigte in der Begrüßung auf, welche Spuren die lange Isolation bei den Jugendlichen hinterlassen hat in einer Phase, die eigentlich von Aufbruch und Lebensfreude geprägt sein sollte: „Nicht alle Jugendlichen sind in der Lage, sich selbst aus der Krise zu ziehen.“ Unter der Moderation von Schülersprecherin Gwendolin Hinderer und Susanne Lehmann vom Eislinger Kinder- und Jugendbüro kamen zunächst die Schülerinnen und Schüler zu Wort. Mit einer bemerkenswerten Offenheit gaben sie stellvertretend für eine ganze Generation Einblick in ihre Emotionen während der Isolation des Lockdowns.

Schüler, die sich selbst als „laut und energisch“ und als lebensfroh charakterisierten, berichteten, wie sie komplett in den Rückzug gegangen und keinen Sinn mehr im Leben gesehen hatten: „Ich hätte nie gedacht, dass es mich so treffen könnte!“  Zielstrebige und leistungsstarke Schülerinnen beschrieben, wie Kraft und Motivation weggebrochen waren und negative Emotionen immer mehr Raum eingenommen hatten. „Ich habe für gute Leistungen mit meiner Psyche bezahlt“, war das ernüchternde Fazit. Auch wenn manche Schüler die Situation anfänglich als Freiheit zum Nichtstun oder Zocken genossen hatten, so folgte doch schnell das Vakuum des Überdrusses und der inneren Leere. Manche Jugendliche zeigten auf, dass sie „sämtliche Emotionen verloren hatten“. Sie erleben bis heute, dass „die Fröhlichkeit nicht zurückkommt“. Andere beschrieben extreme Stimmungsschwankungen: „Ich bin vom ausgeglichenen Menschen zum arroganten Choleriker geworden.“ Und so hatten einige „eine innere Explosion“ erlebt. Dazu kam die Trauer über die verlorenen Jugendjahre: „Die Zeit läuft uns davon!“

Die authentischen Beiträge der Schülerinnen und Schüler bewegten Sarah Schweizer und Ayla Cataltepe. Sie bedankten sich für das Vertrauen der Schülerinnen und Schüler und ihren Mut, mit dem sie Einblick in ihre Psyche ermöglicht hatten. „Danke, dass ihr Eure Menschlichkeit bewahrt habt und Euch um andere kümmert“, lobte Cataltepe. Denn immer wieder schwang in den Redebeiträgen der Jugendlichen die Fürsorge für Freunde mit, die tief in die Krise gerutscht waren, sich distanzierten, zurückzogen und mit Zusammenbrüchen oder Suizidgedanken kämpften. Es wurde insgesamt klar, dass selbst die Rückkehr in die Normalität eine langwierige Herausforderung ist. Die Erwachsenen in der Runde waren beeindruckt von dem hohen Reflexionsgrad, mit dem die Jugendlichen ihre Empfindungen äußerten. Sarah Schweizer griff den Text der Online-Petition auf, den die Schülergruppe ins Netz gestellt hatte. Sie hob die „Selbstwirksamkeit“ als wichtigen Aspekt heraus und diskutierte mit den Schülern über die Möglichkeiten zur Stärkung ihrer Persönlichkeit.

Beide Landtagsabgeordneten zeigten schließlich auf, wo in der Landespolitik Weichen gestellt werden, um die Situation zu verbessern. Cataltepe verwies auf die im Landeshaushalt anvisierte Aufstockung der Lehrerstellen und die Stärkung der Schulpsychologen. Schweizer brachte die bereits angestoßenen Maßnahmen „bridge the gap“, „Rückenwind“ und „Lernbrücken“ ins Spiel. Aber die beiden Politikerinnen spürten, dass die Unterstützung der Jugendlichen breiter sein muss, dass die Förderung der Resilienz und die Psychologie mehr Raum im Schulalltag bekommen müssen. Und so wurden die Vorschläge von Seiten der Schüler, Lehrer und der Schulsozialarbeit konkreter: Klassenlehrerstunden in allen Jahrgängen, kleinere Klassen und die Förderung der Exkursionen und AGs, damit das soziale Leben an der Schule und die Selbstwirksamkeit der Jugendlichen gefördert wird. Am EKG wird das Schulleben zurzeit schon von zahlreichen Aktionen wiederbelebt, die von Schülern und Lehrern auf den Weg gebracht werden.

In der Diskussion wurde auch deutlich, dass die Aufstockung der Schulsozialarbeit dringend nötig ist, denn ans Gymnasium kämen nicht mehr nur Schülerinnen und Schüler aus einem sicheren Background, erläuterte Stephan Arnold. Und das psychotherapeutische Angebot für junge Menschen decke bei weitem nicht den Bedarf ab. Er zeigte auf, wie unermüdlich und engagiert die beiden Schulsozialarbeiter Ingrid Hinzel-Hees und Thomas Golder zusammen mit dem Lehrerkollegium in den letzten Wochen für die Schüler aktiv gewesen waren.

Der ehrliche Austausch an diesem Nachmittag hat alle Beteiligten berührt. Und so wurde vereinbart, sich noch einmal in größerer Runde zu treffen.  Am Ende waren sich alle einig, wie wichtig die Vernetzung und die persönlichen Gespräche an der Schule sind: „So merkt man, dass man nicht alleine ist.“

Info: Die Online-Petition, die Schüler, Lehrer, Elternvertreter und Schulsozialarbeiter auf den Weg gebracht haben, ist zu finden unter https://www.openpetition.de/petition/online/schuelerinnen-brauchen-jetzt-zeit-und-unterstuetzung