Kunst zeigt Vielfalt und gibt Orientierung: Doris Vogel gestaltet das Schulhaus mit 33 Portraitbildern

Die Raumwirkung des Erich Kästner Gymnasiums in Eislingen hat sich in den letzten Monaten gewandelt, seit die Künstlerin Doris Vogel mit viel Esprit und Farbe ihre Gestaltungsideen umsetzt.

Erich Kästner schaut mit wohlwollendem Lächeln auf die Besucher der Bibliothek. Maria Sibylla Merian blickt aufmunternd den Jugendlichen entgegen, die in den Biologieraum strömen. Und die 10c hat Unterricht bei Amy Winehouse. Wohin man auch kommt im Erich Kästner Gymnasium, man wird begleitet von Persönlichkeiten aus Naturwissenschaft, Kultur und vor allem Musik. Denn die Künstlerin Doris Vogel, die an der Schule die Fächer Bildende Kunst und Deutsch unterrichtet, hat das Schulhaus mit Dutzenden von Portraits gestaltet, die nun über den verschiedenen Türen im Haus angebracht sind. So hat sie jedem Raum eine individuelles Erkennungsmerkmal und eine eigene Identität verliehen.

Die Corona-Jahre haben die Schulen verändert. Doris Vogel wollte in dieser Zeit ein positives Statement setzen und hat in unzähligen Stunden und Tagen zu Pinsel und Farbe gegriffen. So hat sie den Impuls von Schulleiter Stephan Arnold zu einer Neugestaltung des Schulhauses aufgenommen und den Fluren in der Schule ein neues Erscheinungsbild verliehen. Die Bilder versteht sie auch als einen Akt der Wertschätzung für alle, die täglich im Haus lernen und arbeiten und für die sie eine positive Atmosphäre schaffen möchte. Vogel hat intensiv über die Auswahl der Persönlichkeiten für die Portraits nachgedacht und dabei die Nutzung des jeweiligen Raumes berücksichtigt. Die Bandbreite reicht von Alexander von Humboldt bis Marie Curie, vom berühmten Ingenieur bis zum modernen Künstler, von Albert Einstein bis Steve Jobs. So hat Vogel auch den Schwerpunkten der Schule Rechnung getragen, denn neben den Naturwissenschaftlern sind vor allem Musiker zu finden, wobei Vogel darauf geachtet hat, dass auch zahlreiche Frauen in der Auswahl berücksichtigt wurden. Von Clara Schumann bis Beyoncé grüßen sie nun von den Wänden. Wenn Doris Vogel erlebt, dass Schüler und Kollegen knobeln, wer die jeweilige Person auf dem Bild ist, dann hat sie ihr Ziel erreicht: „Kunst lädt ein, sich mit etwas Fremden zu beschäftigen, mit etwas, was man noch nicht kennt, und damit den Horizont zu weiten.“ Deshalb entwickelt sie nun QR-Codes für jeden Raum, über die Information zum jeweiligen Raumpaten sowie Beispiele für ihre Texte bzw. Musik abrufbar sind.

Besonders freut sie sich, wenn sie hört, dass Schüler sagen: „Wir sind in der nächsten Stunde bei Elvis“. Die Bilder erleichtern die Orientierung im Haus, denn sie enthalten eine farbliche Codierung: Orange – die Symbolfarbe der Schule – steht für Fachräume, die Bilder an den Klassenzimmern sind in verschiedenen Blautönen gestaltet. Alle Werke verbindet dabei der ganz eigene expressive Stil der Künstlerin, die ihren Bildern mit flächigem Pinselstrich eine starke Präsenz und Tiefenwirkung verleiht.

Die Ideen von Doris Vogel sind unerschöpflich. Zurzeit malt sie mit Schülerinnen und Schüler verschiedener Klassen Bilder für die Innengestaltung der Räume. Sie will damit den Jugendlichen das Erlebnis der Selbstwirksamkeit ermöglichen und den Stolz, Teil eines großen Projekts zu sein. Einige Klassen schreiben zudem passende Kästner-Zitate auf Leinwände für verschiedene Fachräume. Und eine Gruppe von Jugendlichen hat sich anstecken lassen vom Engagement ihrer Lehrerin und portraitiert nun selbst ihre Stars für den Aufenthaltsraum. So wollen sie den Raum neu zu ihrem Raum machen. Da wundert es nicht, dass Schülerinnen und Schüler auch in ihrer Freizeit bis 19 Uhr in der Schule mit Pinsel und Farbe zu sehen sind. Von ihnen kommen auch die nächsten Ideen: Ihre eigenen Gedichte kann man als Gedankenanstoß aus einer Box in der Aula ziehen. Und nun sollen auch Texte in anderen Muttersprachen hinzukommen. „Kunst ist eine riesige Chance, die Vielfalt an der Schule auszudrücken“, schwärmt Vogel. Das ist für sie auch weiterhin der Antrieb für ihr Engagement, für den enormen Aufwand an Zeit und Energie, für die vielen Wochenenden, die sie nach wie vor in dieses Projekt investiert. Die Künstlerin ist der Überzeugung, dass die ästhetische und künstlerische Gestaltung die Lebenswirklichkeit beeinflusst. Sie spürt, dass die Schüler das Schulhaus intensiver wahrnehmen und erleben. „Wenn aus dem Betonbau ein persönlich gestalteter Raum wird, können sich die Schülerinnen und Schüler neu damit identifizieren.“